08. Jun 2022

Von Äpfeln und Birnen

Synergien zwischen Audits und Assessments (Teil 1)

Dieses Thema ist immer aktuell - deshalb haben wir unseren Experten und Autor Wolfgang Pölz gebeten, diesen Artikel zu aktualisieren. Viel Spaß beim Lesen!

In den Blogartikeln "Was unterscheidet ein Audit von einem Assessment?" (Hier geht es zu TEIL 1 und zu TEIL 2) wurden die Unterschiede zwischen Audit und Assessment näher betrachtet. Dabei wurde festgehalten, dass – mit etwas Abstand betrachtet – die Unterschiede zwischen Audit und Assessment primär in den formalen Anforderungen, der Haltung und der Herangehensweise liegen. Die zentrale Unterscheidung zeigt sich also im Zweck – Nachweis der Normerfüllung (JA/NEIN?) vs. Nachhaltiger Erfolg (WIE GUT?) – der sich dann auch in Unterschieden bei der Durchführung widerspiegelt. Trotz der Unterschiedlichkeiten stößt man jedoch auch auf zahlreiche Überschneidungen. Es müsste also gut möglich sein, beide Herangehensweisen miteinander zu verbinden und dadurch Synergien zu erzielen. Ob dies und – falls ja – wie dies bewerkstelligt werden kann, beantwortet dieser Beitrag.

Bevor die eigentliche Fragestellung bearbeitet wird, sei noch eine Einschränkung erwähnt: Wie schon beim vorangegangenen Blog-Beitrag, wird auch hier nur auf extern durchgeführte Audits bzw. Assessments eingegangen, da bei intern durchgeführten Audits bzw. Assessments verständlicherweise die Vorgehensweisen viel zu individuell sind, um eine allgemeine Aussage treffen zu können.

Zurück zur eingangs gestellten Frage: „Gibt es Synergien bei der Durchführung von Audits und Assessments und falls ja, wie können diese genutzt werden?“ All jene, die zuvor noch eine Definition von Audit und Assessment benötigen, lege ich das qualityaustria Positionspapier „Das Audit“ und die Broschüre „EFQM Modell“ nahe. Noch einfacher ist es allerdings, meinen letzten Blogbeitrag („Was unterscheidet ein Audit von einem Assessment?) nachzulesen.

Von „genutzter Synergie“ sprechen wir dann, wenn es darum geht, dass Organisationen, die eine Kombination von Audit und Assessment nutzen, qualitativ und vielleicht sogar quantitativ wertvollere Rückmeldungen zur Weiterentwicklung erhalten, als jene, die „nur“ die eine oder andere Methode in Anspruch nehmen. Selbstverständlich liegt die Bewertung „wertvoll“ immer im Auge des Betrachters und der dahinterliegenden Erwartungshaltung.

Um festzustellen, ob und welche positiven Effekte durch die Kombination von Audit und Assessment erzielt werden können, betrachtet dieser Blog folgende Themenfelder näher:

a)      Gemeinsamkeiten der Themenfelder

b)      ISO und EFQM als Organisationsentwicklungsbausteine

 

a) Gemeinsamkeiten der Themenfelder

Wie dir wahrscheinlich bekannt ist, sieht das qualityaustria Positionspapier “Das integrierte Managementsystem – Die Position der Quality Austria” das EFQM Modell als eine Weiterentwicklungsmöglichkeit des integrierten Managementsystems, und zeigt, dass oft mit EFQM-basierten Ansätzen gearbeitet wird, um das Managementsystem weiter zu entwickeln. Nachdem die Vergleiche zu den Grundkonzepten bzw. Grundsätzen und der Regelkreis-Logik (PDCA vs. RADAR) bereits im letzten Blogartikel betrachtet wurden, sei hier noch kurz auf den Vergleich der Kriterien eingegangen. Da alle ISO Managementsystemnormen auf der sogenannten „High Level Structure“ (HLS) basieren, wird nachfolgend diese Norm-Grundstruktur des Annex SL mit dem EFQM Kriterienmodell verglichen. Diese Gegenüberstellung ist hier nur als grober Vergleich zu verstehen, da je nach Anforderung 9001, 14001 usw. in der Norm die eine oder andere Ergänzung zum Annex SL vorgenommen wurde:

In dieser Abbildung wurde – soweit möglich – eine Gegenüberstellung der ISO 9001:2015 mit den Teilkriterien des EFQM-Modell dargestellt, wobei rot eine große Übereinstimmung und gelb eine relevante Übereinstimmung widerspiegelt. Die blau markierten Felder kommen zustande, da die RADAR-Logik das Thema der Messung und daraus abgeleiteter ständiger Verbesserung beinhaltet und ebenfalls integraler Bestandteil des EFQM-Modells ist.

In der nachfolgenden Grafik sind die einzelnen Übereinstimmungen gewichtet zusammengefasst. Das bedeutet, dass je intensiver die Farbe, desto größer ist die Übereinstimmung. Im Umkehrschluss weisen jene Felder, welche farblos sind, kaum bis keine Übereinstimmung auf.

Diese zugegebenermaßen grobe Gegenüberstellung zeigt dennoch sehr deutlich, dass bspw. ausgehend von der ISO 9001 weiterführende Themen behandelt werden und damit einige „blinde Flecken“ in den Aufmerksamkeitsfokus geraten. Selbstverständlich würde eine tiefere Betrachtung noch mehr Feinheiten aufzeigen, was für diesen Blogbeitrag aber nicht so relevant ist.

Drei Anmerkungen sind mir – besonders in Hinblick auf Modellexperten unter der Leserschaft - noch wichtig anzumerken:

  1. Klar ist, dass hier Äpfel mit Birnen – ein Anforderungsmodell mit einem Reifegradmodell - verglichen werden. Es können daher nur die Themenfelder und nicht die „Anforderungen“ verglichen werden.
  2. Das Thema „Verbesserung“ ist natürlich in allen Teilkriterien der Ausrichtung und Realisierung des EFQM Modells durch die RADAR-Logik enthalten. In diesen Tabellen habe ich dennoch versucht, die relevanten Themenfelder zu markieren, welche am ehesten mit den durch die ISO angesprochenen Themen vergleichbar sind.
  3. Bei den Ergebniskriterien des EFQM Modells hängt der Grad des Zusammenhangs stark vom strategischen Fokus und den Zielen des Unternehmens ab. Kundenzufriedenheit ist bspw. ein Thema der ISO 9001 und wird in Abbildung 1 beispielgebend angeführt. Wenn zusätzlich ein Umweltmanagementsystem nach ISO 14001 implementiert ist, muss selbstverständlich auch bei den gesellschaftsbezogenen Ergebnissen in der Zeile „Bewertung“ ein klarer Zusammenhang abgebildet werden.

Besonders hervorzuheben ist der doch deutliche Unterschied zwischen Ergebnissen und der Ausrichtung bzw. der Realisierung. ISO Managementsystemnormen legen den Schwerpunkt auf die klare Regelung der Vorgehensweisen und fokussieren bei den Ergebnissen stark auf den Kern der Normforderung (bspw. Kundenzufriedenheit oder Umweltleistung, usw.). Währenddessen achtet das EFQM Modell auf die Ausgewogenheit und Beziehung zwischen Maßnahmen und erzielten Ergebnissen (WIE GUT?) sowie die davon betroffenen Interessengruppen, was sich auch im wissenschaftlich mehrfach nachgewiesenen Zusammenhang zwischen EFQM Modell und nachhaltigem Unternehmenserfolg widerspiegelt.

 

b) ISO und EFQM als Organisationsentwicklungsbausteine

„Organisationen können lernen genauso wenig vermeiden wie Personen. Auch für Organisationen ist deshalb nicht entscheidend, dass sie lernen, sondern wie und was sie lernen.“ Unter diesem Gesichtspunkt sieht Wilke im EFQM Modell einen „... viel versprechenden Ansatz […] entsprechende Datengrundlagen zu schaffen.“

Das EFQM Modell bietet  – wie aus den vorangehenden Abbildungen hervorgeht – über die ISO-Anforderungen hinausgehende, zusätzliche Gestaltungskomponenten.  Diese tragen damit unweigerlich zur Schaffung bzw. Anpassung der Unternehmenskultur bei. Die Unternehmenskultur ist – wiein folgender Abbildung veranschaulicht – ein Ergebnis mehrerer ineinandergreifender und sich gegenseitig beeinflussender Regelkreise. „So gesehen ist auch klar, dass Versuche, die Unternehmenskultur durch Plakate und Rundschreiben oder Ähnliches zu ändern, ins Leere gehen. Durch einfache Behauptungen lässt sich nichts verändern – es braucht vorgelebte Verhaltensweisen!“ Der Reifegrad der Umsetzung und die daraus erzielte Wirkung werden unter anderem im Zuge einer EFQM-Bewertung rückgespiegelt, wodurch eine Organisation ein zweckdienliches Werkzeug zur Organisationsentwicklung zur Verfügung hat.

Es ist offensichtlich, dass jedwede Kombinationen von einzelnen Aspekten des EFQM Modells zusätzlich zur ISO weiterführende Impulse liefert, unabhängig davon ob diese durch Selbstbewertungen, Fremdbewertungen oder durch gezielte Projekte identifiziert und realisiert werden.

Mehr Informationen über die Kombinationen von Audits und Assesments finden Sie im  2. Teil des Blogartikels "Synergien zwischen Audits und Assesmsents".

Quellen:

  • Koubek A.; Pölz W.; Integrierte Managementsysteme. Von komplexen Anforderungen zu zielgerichteten Lösungen; 2014
  • Münstermann, T.: Kulturgerechte Gestaltung von betrieblichen Veränderungsprojekten mit einem unternehmenskybernetischen Ansatz. Dissertation, Aachen 2011
  • Scheiber K., Walder F-P.; Das Integrierte Managementsystem – Die Position der Quality Austria; 2016
  • Scheiber K., Walder Franz-Peter; Das Audit. Die Position der Quality Austria; 2016
  • Wiedenegger, A.; Walder, F-P: Unternehmensqualität wirkt. Wien, Quality Austria, 2013
  • Willke, H., (2007). Einführung in das systemische Wissensmanagement. 2. Auflage. Heidelberg: Carl-Auer

Zum Autor

Portrait Wolfgang PölzIng. Mag.(FH) Wolfgang Pölz, MSc, MBA arbeitet als selbständiger Unternehmensberater mit Fokus Organisationsentwicklung und ist seit knapp 30 Jahren als freiberuflicher Netzwerkpartner Auditor für diverse Normmodelle und Trainer im Bereich QM-Systeme für die Quality Austria aktiv. Er führt seit über 25 Jahren Assessments nach dem EFQM Modell durch und ist von der EFQM und der Quality Austria als Assessor*innen-Trainer zertifiziert und auch im Staatspreis Unternehmensqualität als Lead Assessor tätig. Seit 2017 betreut er auch als ISO/TS 22163 (IRIS) Produktexperte der Quality Austria Unternehmen der Schienenfahrzeugindustrie. Mit mindVRexcellene® hat er unter anderem das EFQM Modell in der virtuellen Welt (VR) für Trainings und kollaborative Arbeit aufbereitet.
www.wpo.co.at

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