17. Dez 2018

Warum wir mehr Eule sein müssen

Der Weisheit letzter Schluss

Vor ziemlich genau einem Jahr fragte mich im Rahmen einer Veranstaltung mein geschätzter Kollege Wolfgang Hackenauer, was denn mein Ziel bei einem Audit wäre. Meine sichere Antwort war: „Ich versuche, den Organisationen Verbesserungspotenziale aufzuzeigen – und natürlich die Konformität mit den entsprechenden Anforderungen festzustellen.“ Wolfgang zeigte sich von dieser Antwort nur wenig beeindruckt. Er meinte nur, ich sollte auf seinen Vortrag nach der Pause warten.

Ich wartete. Und dann hörte ich ihn auf der Bühne sagen: „Unsere Aufgabe als Auditoren oder Assessoren ist es, die Welt besser zu machen!“ Wirklich? Wir sollen die Welt besser machen? Wir? Echt jetzt? Ich war verblüfft. Wie kam er denn da drauf?

Aber der Gedanke und Wolfgangs Ausführungen ließen mich nicht mehr los. „Die Welt besser machen.“ Naja, wenn das jetzt nicht wir machen, wer soll es denn dann machen? Wir sind doch diejenigen, die in Audits und Assessments versuchen, die Organisationen zu verstehen und die ihnen aufzeigen wollen, wo was verbessert werden könnte. Und genau an dieser Stelle gilt es einzuhaken: „Wo was verbessert werden könnte.“

 

Besser ist besser – ist es nicht!

Wir sind schnell dabei, wenn wir mit unserem Erfahrungsschatz an Dinge herangehen, diese beurteilen und dann aufzeigen, was man besser machen kann: Wie man schneller werden kann. Wie man fehlerfreier werden kann. Wie man zuverlässiger werden kann. Wie man eben besser werden kann. Doch was ist dieses „besser“?

„Besser“ setzt einen bestimmten Status Quo, eine bestimmte Situation voraus. Dann wird etwas verändert und es entsteht eine „Vorher-Nachher-Differenz“, wie es Niklas Luhmann mal so schön formuliert hat. Und natürlich soll das „Nachher“ besser sein, als das „Vorher“. Aber ist schneller, fehlerfreier, zuverlässiger... automatisch besser? Und an dieser Stelle muss nachgedacht werden. Wenn etwas besser gemacht wird, ist es dann wirklich besser?

Nein, das ist es nicht. Wenn ein Produktionsprozess immer noch schneller und effizienter gemacht wird, dann ist das gut für die Produktion, für die Stückzahl, für den Umsatz und mit großer Wahrscheinlichkeit auch für den Gewinn. Doch es kann durchaus weitaus schlechter sein für die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden des eigenen Unternehmens.

Es kann besser sein, die Einkaufspreise nach unten zu verhandeln. Dadurch entstehen bessere Margen, die man entweder den Kunden weitergeben kann oder die dem Unternehmensgewinn guttun. Doch es kann durchaus weitaus schlechter sein für die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden der Zuliefererunternehmen. Und so weiter.

Besser ist also nicht ausnahmslos besser. Das ist nicht neu. Doch sind wir uns dieser Verantwortung auch immer bewusst? Versuchen wir das große Ganze, also die Welt, im Blick zu haben und diese als Ganzes besser zu machen? Eben so wie Wolfgang Hackenauer es vorhat.

Weisheit – Wir müssen mehr Eule werden

Wir Menschen denken sehr gerne in Kausalitäten, Effizienzen und Ergebnissen. Das ist grundsätzlich gut, denn so kommen wir mit möglichst wenig Aufwand an unsere, wie auch immer gearteten, Ziele. Doch sehr oft hinterlassen wir auch hinter und neben uns verbrannte Erde.

Ein Bewusstsein dafür hat sich in den letzten Jahren an einigen Stellen entwickelt. Das ist gut. Doch genau das gilt es weiter in diese Richtung zu verändern. Es gilt nicht nur mehr zu wissen wie es besser geht, es gilt vor allem weise zu handeln. Und die Weisheit beginnt dort, wo die Monokausalität der Effizienz und Effektivität endet.

Weise handeln nur diejenigen, die die Zusammenhänge erkennen können und daraus ihre praktischen Schlüsse ziehen. Um Zusammenhänge erkennen zu können, muss man immer wieder die angestammten Ebenen verlassen.
Die Eule wird seit jeher als der Inbegriff der Weisheit gesehen: Sowohl die „alten Griechen“, als auch die Römer sahen in ihr ein Symbol für Weisheit – und das hat sich bis heute so gehalten. Insofern sollten wir also mehr Eule werden: Aufsteigen und mit Eulenaugen auf das sehen, was sich uns als Ganzes und ihren Zusammenhängen darbietet. Und als Folge daraus abgeleitet handeln. Es gilt zu erkennen, nach- und vorzudenken!

Ein praktischer Leitfaden dazu kann das EFQM Excellence-Modell sein. Dieses Modell setzt sich schon seit vielen Jahren über die rein unternehmensbezogenen Effektivitäts- und Effizienz-Ergebnisse hinweg. Es ist selbstverständlich gut, wenn Organisationen für sich gute Ergebnisse erreichen. Das fordert das Excellence-Modell auch. Aber um wirklich exzellent sein zu können, gilt es auch, das Drumherum miteinzubeziehen und dann eben weise zu handeln.

 

Wie wir Eule werden und weise handeln

In den Grundkonzepten des Excellence-Modells wird die Integrität der Führung gefordert. Integrität kann verstanden werden als ein dauerhaftes umfängliches Handeln nach ethischen Grundsätzen im Sinne eines praktizierten Humanismus. Auch das heißt wieder: Der Blick geht weit über das Organisationsergebnis hinaus.

Führungskräfte von exzellenten Organisationen sind Vorbilder in Bezug auf Integrität, soziale Verantwortung und ethisches Verhalten, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Organisation. Sie übernehmen Verantwortung für ihre Leistung. Sie stellen das ethische Verhalten, die Verantwortlichkeit und Integrität ihrer Mitarbeitenden sicher.
Es wird im Modell gefordert, dass exzellente Organisationen einen positiven Einfluss auf ihr Umfeld ausüben. Sie verbessern gleichzeitig die ökonomischen, ökologischen und sozialen Bedingungen der Gesellschaftsgruppen, mit denen sie in Kontakt stehen. Sie ermuntern ihre Interessengruppen zur Teilnahme an Aktivitäten, die einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Exzellente Organisationen erkennen also die Zusammenhänge und beeinflussen diese positiv.

Das Modell fordert schlussendlich nicht, dass man zur Eule wird. Es ist auch nicht notwendig zu fliegen. Aber wenn wir den Hackenauer´schen Gedanken zur Verbesserung der Welt in unseren zukünftigen Audits und Assessments im Auge behalten, dann sind wir vielleicht noch nicht bei der Weisheit letzter Schluss angelangt, aber falsch sind wir ganz sicher nicht unterwegs.

Zum Autor

Portrait Markus ReimerDr. phil. Markus Reimer ist international gefragter Keynote-Speaker zu den Themen Innovation, Qualität, Wissen und Agilität. Ebenso ist er qualityaustria Netzwerkpartner, Auditor und Trainer.

www.markusreimer.com

 

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