26. Feb 2020

Mitarbeiterbefragungen und Agilität
Teil 3 von 3

Agile Aufarbeitung von Mitarbeiter­befragungen

In Teil 3 der Artikelreihe "Mitarbeiterbefragungen und Agilität" geht es um die agile Aufarbeitung von Mitarbeiterbefragungen. Denn nur durch eine aktive Aufarbeitung der Befragungsergebnisse kommt der Nutzen der Mitarbeiterbefragung erst zum Tragen. Wie kann man diesen Prozess nun agil und in seinen Elementen flexibel gestalten? Hierzu gibt es einige Tipps.

Hier geht es zu Teil 1 der Artikelreihe: Mitarbeiterbefragungen agiler gestalten.

Hier geht es zu Teil 2 der Artikelreihe: Agilität in Mitarbeiterbefragungen messen

4 Prinzipien der agilen Softwareentwicklung

Die Aufarbeitung der Befragungsergebnisse bildet das Herzstück einer Mitarbeiterbefragung. Denn erst hier kann der wahre Nutzen einer Befragung zum Tragen kommen: die bedürfnisorientierte Weiterentwicklung von Interaktionen, Prozessen und Kommunikation - Organisationsentwicklung in Reinform! Und auch dieser Prozess kann und sollte agil gestaltet werden. Nur wie soll das gehen? Indem man den Prozess in seinen Elementen flexibel gestaltet, das Ziel nicht aus den Augen verliert und die Akteure ermutigt, proaktiv, antizipativ und initiativ zu agieren. Man könnte hier sogar eine Analogie zum „agilen Manifest“ der Softwareentwicklung herstellen, das vier Prinzipien ins Zentrum stellt:

  • Individuen und Interaktionen stehen über Prozessen und Werkzeugen.
    Dies heißt für eine Mitarbeiterbefragung, dass der Dialog und das partizipative Arbeiten von Führungskräften und Mitarbeitern ins Zentrum rücken sollte und nicht komplexe Statistiken und hoch aggregierte Kennzahlen. Keine „analysis paralysis“ sondern das dialogische Erschließen der Bedeutung. Nicht zwangsläufig ein top-down/bottom-up Ansatz, sondern Veränderung im "Gegenstromprinzip".
  • Funktionierende Software steht über einer umfassenden Dokumentation.
    Dies heißt für eine Mitarbeiterbefragung, dass es wichtiger ist für Teams und Abteilungen, lokal-funktionierende Ideen, Maßnahmen und Veränderungen zu entwickeln, als Follow-Up Tracker zu befüllen und Maßnahmepläne bottom-up für das Top-Management zu aggregieren.
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden steht über der Vertragsverhandlung.
    Dies heißt für eine Mitarbeiterbefragung, dass die Interaktion zwischen den unmittelbar Betroffenen Freiräume braucht und Ideen  nicht an langwierige Freigaben gebunden sein sollten. Es braucht wechselseitiges Vertrauen und Mittel, dieses Vertrauen in Aktion zu setzen.
  • Reagieren auf Veränderung steht über dem Befolgen eines Plans.
    Dies heißt für eine Mitarbeiterbefragung, dass es nicht um ein „unfreeze – move – freeze“ Bild der Organisationsentwicklung geht und um eine Wasserfall-Planung von Maßnahmen. Es geht vielmehr um einen permanenten Lern- und Anpassungsprozess. Egal, was die ursprüngliche Maßnahmenidee gewesen ist, sie kann sich jederzeit verändern.

 

Machen Sie Befragte zu Beteiligten und Beteiligte zu Begeisterten!

Um diese Agilität zu erreichen, muss die kleinste arbeitende Einheit – das Team – aktiviert werden. Es geht darum, Verantwortung zu übertragen und Freiräume zu geben. Machen Sie Befragte zu Beteiligten, aber Beteiligte auch zu Begeisterten! Mitarbeitern in diesem Prozess Verantwortung zu übertragen sagt „wir glauben an Euch, ihr schafft das!“.

Ideen dazu können sein….

  • Großgruppen nach dem „Open Space“ Konzept bringen Befragungsergebnisse eigenverantwortlich auf und in Bearbeitung.
  • Gruppen von Freiwilligen / Interessierten arbeiten an übergreifenden Schlüsselthemen.
  • Das reine top-down/bottom-up Prinzip wird um Skip-Level-Ansätze erweitert oder in ein Gegenstromprinzip umgewidmet.
  • Es wird ein aktiver Austausch zu Fehlern und Misserfolgen geführt. Die „Fuck-Ups“ einer Mitarbeiterbefragungen werden sichtbar gemacht, um daraus zu lernen und vermeiden das Schaulaufen um die beste Maßnahme.
  • Kollegiale Fallberatung und Peer-Workshops werde als zentrale Elemente zur Kulturgestaltung gesehen.
  • Statt der „perfekten Maßnahme“ strebt man nach Prototyping und iterativen Verbesserungen.
  • Statt einer erschöpfenden Maßnahmenliste greift man auf ein lebendiges „Survey Backlog“ zurück, aus dem Arbeitsteams Themen herausgreifen und in iterativen Sprints bearbeiten. Die dem Thema zugeordneten Mitarbeiter erhalten die Aufgabe, in 3-5 iterativen Sprints von je 14 Tagen an dem
  • Thema zu arbeiten und jeweils ein „auslieferbares Produkt“ zu haben, das in der Organisation getestet werden kann. Das Team wählt selbst, was es aus dem Backlog in den jeweiligen Sprint übernimmt, um das Thema weiter zu bearbeiten.
  • Für jedes Leit-Thema der Befragung wird ein „Topic Owner“ definiert, der die Rolle des „Product Owners“ im Scrum-Denken übernimmt. Dies kann bspw. ein in diesem Thema erfahrener Mitarbeiter aus der Zielgruppe der Maßnahme sein oder ein Mitglied des Top-Managements.

Es gibt hier viele Ansatzpunkte agiler zu werden. Doch die Realität zeigt auch, dass nicht jede Führungskraft und nicht jedes Team ist in der Lage ist, anhand von Befragungsergebnissen wirksame Veränderungsmaßnahmen abzuleiten. Entsprechend braucht es auch hier Qualifizierung und den Prozess unterstützende Facilitatoren. So wie es in der agilen Welt bspw. „Scrum-Master“ braucht, um den Prozess ins Laufen zu bringen, macht es Sinn, auch über „Follow-Up Master“ nachzudenken, die die Befragung als Prozess in die Aufarbeitung führen.

 

Lasst Daten Taten folgen!

Wenn Agilität im Kern bedeutet flexibel, proaktiv, antizipativ und initiativ zu sein, dann sind Mitarbeiterbefragungen in ihrer modernen Spielart wertvolle Instrumente, um relevante Entwicklungsthemen kollektiv zu erheben und in einem Prozess bearbeitbar zu machen. Die Herausforderung ist und bleibt jedoch, aus den Ergebnissen Maßnahmen abzuleiten, die die Entwicklung der Organisation vorantreiben. Und hier kann die Integration agiler Methoden einen echten Mehrwert schaffen! Um mit Goethe abzuschließen: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich endlich Taten sehen.“. In diesem Sinne lassen Sie Ihren Daten auch Taten folgen!

 

Hier geht es zu Teil 1 der Artikelreihe: Mitarbeiterbefragungen agiler gestalten.

Hier geht es zu Teil 2 der Artikelreihe: Agilität in Mitarbeiterbefragungen messen.

Zu den Autoren

Portrait Gerd Beidernickl Mag. Gerd Beidernikl ist Gründer und Geschäftsführer der vieconsult GmbH, einem auf die Durchführung von Mitarbeiterbefragungen und 360° Führungsfeedbacks spezialisierten Institutes in Wien. Seit mehr als 15 Jahren begleitet er Unternehmen dabei, Feedback aus der eigenen Belegschaft einzuholen und für die Unternehmensentwicklung nutzbar zu machen. Mag. Gerd Beidernikl ist Soziologe, systemischer Coach, Trainer, zertifizierter Managementberater und unerschütterlicher Optimist, dass jeder Arbeitgeber ein sehr guter Arbeitgeber werden kann.

https://vieconsult.at/

Portrait Victoria GrotheMag. Victoria Grothe ist Psychologin und betreut als Projektmanagerin bei vieconsult Kundinnen und Kunden in allen Phasen eines Projektes vom Standort Frankfurt aus. Victoria Grothe ist bei vieconsult insbesonders auf die Konzeption und Durchführung von Mitarbeiterbefragungen und Evaluierungen psychischer Belastungen (bspw. nach dem ASchG) spezialisiert.

https://vieconsult.at/

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