26. Nov 2018

Über weiße Flecken auf der EFQM-Landkarte und Aha-Erlebnisse

Der Weg ist das Ziel! – Teil 2

DI Dr. Johann Harer, General Manager des steirischen Humantechnologie-Clusters, beschäftigt sich schon seit mehr als 15 Jahren mit dem Thema Excellence. Business Excellence ist Chefsache, davon ist er überzeugt, aber auch Teamarbeit! Dass Business Excellence einen langen Atem erfordert und dass der Weg das Ziel ist, darüber haben wir in Teil 1 des Interviews mit ihm gesprochen.

Hier geht es zu Teil 1 des Interviews.

Welche Tipps hast du für Unternehmen, die Business Excellence umsetzen möchten?

Bei der Umsetzung von Business Excellence haben sich folgende Schritte bewährt:

  1. Entscheidung für eine Kultur der Exzellenz treffen
    Die Organisation muss sich ganz zu Beginn zu einer Ja / Nein Entscheidung durchringen, ob sie „den Weg der Exzellenz“ gehen will oder nicht. Wenn diese Frage mit „Ja“ beantwortet wird,  muss sich die Organisation fragen, welchen Ansatz sie dazu wählen will. Diese Entscheidung muss von der obersten Führung zu 100% (mit-)getragen werden.
  2. Kommunikation der Entscheidung
    Ist eine grundsätzliche Entscheidung getroffen, muss diese von der Führung klar an die Organisation kommuniziert werden. Business Excellence lässt sich nicht mit ein paar MitarbeiterInnen oder einigen wenigen Abteilungen umsetzen! Entweder ist die gesamte Firma (oder zumindest eine große Organisationseinheit) „mit von der Partie“ oder man lässt es besser bleiben.
  3. Aufbau von Business Excellence-Champions
    Nach der Festlegung, wer / welches Team (neben der Geschäftsführung) für die Einführung von Business Excellence zuständig sein soll, müssen sich ein oder mehrere Personen mit dem EFQM Modell vertraut machen. Dies umfasst den anfänglichen Besuch von EFQM-Trainings (verschiedener Intensität), gefolgt von Pilotprojekten, die auch z.B. im Rahmen eines „Committed to Excellence“ Assessments ablaufen oder von einem externen Berater unterstützt werden können.
  4. Assessment inklusive Vor- und Nachbereitung
    Nachdem das EFQM Modell komplex ist, kann die gesamte Vorbereitung für das Staatspreis-Assessment nicht von einer Person alleine getragen werden. Sinnvoll ist die Etablierung einer zentralen verantwortlichen Stelle (Person oder Kernteam), welche beauftragt ist, die einzelnen Kapitel des Modells an die zuständigen Bereiche zu übergeben und diese zu unterstützen, Meetings zu moderieren, Unklarheiten zu beseitigen, Termine nachzuverfolgen und dabei sukzessive ein Verständnis für eine „Kultur der Exzellenz“ aufzubauen.
    Nach Vorliegen der einzelnen Kapitelentwürfe muss ein Redaktionsteam die Endversion verfassen, welche anschließend zum Staatspreis bzw. externen Assessment eingereicht wird.
  5. Während des Assessments sollten Sie folgendes beachten:
    Seien Sie offen und ehrlich zu den AssessorInnen. Sagen Sie (ehrlich), was Sie wissen aber stellen Sie weder Vermutungen an noch behaupten Sie Dinge, die Sie nicht wissen bzw. für die Sie nicht zuständig sind.
    Auch AssessorInnen sind nur Menschen. Nach dem Motto „Wie du in den Wald hineinrufst, so schallt es wieder heraus“ sind Sie selbst für das Gesprächsklima, und damit für das Ergebnis des Assessments, mit verantwortlich. AssessorInnen sind keine „Feinde“ denen es darum geht, Fehler zu finden. Ganz im Gegenteil, sie helfen uns Potentiale aufzuspüren und damit besser und erfolgreicher zu werden.
  6. Follow-up
    Nach Erhalt des Assessmentberichtes muss dieser von den beteiligten Stellen analysiert und in einen Maßnahmenplan „verpackt“ werden. Dieser muss von der Geschäftsführung abgesegnet und (mit ausreichenden Ressourcen versehen) zur Umsetzung freigegeben werden.
    Damit erfolgt auch meist schon die Entscheidung, was die nächsten Schritte Richtung Business Excellence sind und ob bzw. wann die nächste Bewerbung zum Staatspreis Unternehmensqualität angestrebt werden soll.

Wie hat die HTS schon vom EFQM Modell profitiert?

Wir beschäftigen uns in der HTS seit ca. zwei Jahren ernsthaft mit dem Thema Business Excellence. Während dieser Zeit hatten wir bereits einige „Aha-„ Erkenntnisse:

  • In der Vorbereitung entdeckten wir verschiedene „weiße Flecken auf der EFQM-Landkarte“, derer wir uns vorher nicht bewusst waren. Insbesondere waren etliche strategische Ausrichtungen nicht in unseren Ergebnissen oder Indikatoren abgebildet.
  • Wir waren auf unsere aktuelle Strategie sehr stolz und arbeiten auch intensiv daran, diese kontinuierlich anzupassen. Worauf wir nicht ausreichend geachtet hatten, war eine saubere Trennung vorzunehmen, welche Teile vom Cluster direkt beeinflusst und bestimmt werden können und welche von unseren Partnern / vom Umfeld eingebracht werden.
  • Wir sehen uns als Dienstleister für die regionalen Wirtschafts- und Wissenschaftspartner im Life Science Bereich. Obwohl wir per Vorgabe „für die Gesellschaft da sind“ fiel es uns schwer, dies in Kenngrößen zu verpacken, welche die Wirksamkeit unserer Tätigkeit schlüssig nachweisen.
  • Wir haben gelernt, dass die Vorbereitung der einzelnen Kapitel Teamwork erfordert und erst aus der intensiven Diskussion neue Erkenntnisse und Ideen entstehen.

Wir haben bereits begonnen, die vorhin erwähnten Erkenntnisse in unsere Businessprozesse einzubauen und diese sukzessive zu verbessern, für eine abschließende Bewertung ist es allerdings noch zu früh.

 

Was sind die nächsten Schritte? Wie geht es im Humantechnologie-Cluster mit dem Thema Unternehmensqualität weiter?

Wir haben bereits begonnen, das Feedback aus dem Staatspreis-Assessment zu analysieren und daraus Maßnahmen abzuleiten. Wir möchten diese Maßnahmen sukzessive in unsere Abläufe einbauen und uns 2020 wieder zum Staatspreis Unternehmensqualität anmelden.

Parallel dazu möchten wir uns auf europäischer Ebene am Cluster Exzellenzprogramm der EU-Kommission beteiligen. Einerseits um ein besseres Verständnis zu gewinnen, was „Cluster-Exzellenz“ auf europäischer Ebene bedeutet, andererseits um zu sehen, wie wir im Vergleich zu anderen Clustern liegen. Wir hoffen, bis Ende 2019 den „Silver Level“ erreichen zu können und wollen die dabei gewonnenen Erfahrungen wieder zurück in unser EFQM Modell einfließen lassen.

Natürlich wollen wir das Thema Business Excellence auch in unser Cluster-Netzwerk „einspeisen“, u.a. dadurch, dass wir unsere positiven Erfahrungen an unsere Mitglieder weitergeben und auch unser „Recognized for Excellence 4*“ medial entsprechend kommunizieren. Glücklicherweise sind wir in der Steiermark nicht die einzigen „EFQM-Infizierten“. Ich denke nur z.B. an die Firma Infineon, einen der früheren Staatspreisträger und Gewinner des EFQM Global Excellence Award 2018, die ihre Entwicklungsabteilung in Graz betreibt, an die KAGes, die sich schon seit vielen Jahren erfolgreich mit Business Excellence auseinandersetzt, die FH Joanneum, die diesmal auch mit 4 Sternen ausgezeichnet wurde oder an verschiedene Abteilungen des Univ. Klinikums Graz, die seit Jahren verschiedene Auszeichnungen im Rahmen des Staatspreis Unternehmensqualität erhalten haben.

Hier geht es zu Teil 1 des Interviews.

Zum Autor

Portrait Johann HarerDI Dr. Johann Harer war nach Universitätsabschlüssen in Elektrotechnik und Rechtswissenschaften 35 Jahre in verschiedenen Aufgaben in großen internationalen Firmen wie AVL, AEG and Roche Diagnostics tätig. Im November 2014 wurde er Geschäftsführer des Human.technology Styria Clusters mit der Aufgabe, die Healthtech Branche in der Region (Medizintechnik, Pharma, Biotechnologie - von der Forschung bis zur Wirtschaft) zu vernetzten, international sichtbar zu machen und innovative Projekte zu unterstützen. Johann Harer war Vortragender auf vielen Konferenzen und ist Autor des Buches “Anforderungen an Medizinprodukte” sowie Co-Autor von “50 Jahre Innovation in der Medizintechnik”.

www.humantechnology.at 

Zur Autorin

Team

Mag. Nicole Mayer, MSc

Business Development Unternehmensqualität, Trainerin, Assessorin

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