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Top oder Flop? Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung richtig bewerten
Ihre Mitarbeiterbefragung wurde erfolgreich durchgeführt und die Ergebnisse liegen nun vor. Es stellt sich die Gretchen-Frage. Sind die Ergebnisse Ihrer Mitarbeiterbefragung: Top oder Flop? Gut oder schlecht? Wie ordnen Sie diese ein und was sind Kriterien, die Sie dabei anlegen können? Egal ob klassische Mitarbeiterbefragung oder Evaluierung psychischer Belastung: Wir geben Ihnen eine Einordnungshilfe.
Ihre Mitarbeiterbefragung wurde vorangekündigt, professionell durchgeführt und nun erfolgreich abgeschlossen – endlich liegen die Ergebnisse vor, auf die man über die gesamte Projektlaufzeit gewartet hat. Sie stehen damit kurz davor in den Follow-Up-Prozess der Mitarbeiterbefragung zu starten, in der Sie mit den Ergebnissen in Ihrer Organisation weiterarbeiten und diese sinnvoll verwerten möchten.
Die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung (sei es eine klassische Engagement-Befragung oder Teil einer Evaluierung psychischer Belastungen) bilden jeweils den IST-Zustand der Arbeitsbedingungen einer Organisation aus Sicht der Befragten zu einem bestimmten Zeitpunkt ab. Sobald diese vorliegen, ergeben sich zwei naheliegenden Fragen:
- Woher weiß man, ob der aktuelle IST-Zustand eigentlich als „gut“ oder „schlecht“ zu bewerten ist?
- Wie definiert man einen SOLL-Zustand, den man mittels Folgemaßnahmen zu erzielen versucht?
Strukturieren Sie Ihre Daten
Einer der wesentlichsten Schritte besteht darin, sich die Datenbasis zu strukturieren. Dabei kann man unterschiedliche Perspektiven einnehmen, die einem helfen den eigenen Blick zu schärfen.
- Induktive oder deduktive Betrachtung der Daten: Sie fokussieren auf vorab definierte Themen bzw. Hypothesen aus der Fragebogenkonzeption heraus und bewerten die Ergebnisse. Oder Sie leiten aus den bestehenden Daten empirisch neue Themen oder Hypothesen ab.
- Unternehmensweite Querschnittsthemen vs. Organisationseinheiten-spezifische Themen: Bei der Betrachtung unternehmensweiter Querschnittsthemen, die sich in einer Aussage oder Interpretation über das gesamte Unternehmen erstrecken, handelt es sich häufig um Aspekte die in einer übergreifenden Unternehmenskultur oder in übergreifenden Merkmalen der Organisation (räumlich, organisatorisch,…) verankert sind. Demgegenüber stehen Aussagen oder Interpretationen die nur für bestimmte Organisationseinheiten oder bestimmte Zielgruppen Gültigkeit besitzen.
- Stärkenorientierung vs. Defizitorientierung: Bei der Suche nach möglichen Leitthemen für den Aufarbeitungsprozess ist sowohl ein ressourcenorientierter Blick als auch ein defizitorientierter Blick zulässig. Besonders Projekte aus dem Arbeitnehmerschutz heraus erfordern oft auch einen dezidierten Blick auf Defizite.
Kriterien zur Ergebnisbewertung
Bei allen oben genannten Betrachtungsweisen ist es erforderlich, Kriterien zur Ergebnisbewertung heranzuziehen. Zu diesem Zweck eignen sich die folgenden Herangehensweisen:
- Interner Benchmark (Gesamtdurchschnitt): Ergebnisse über oder unter einem internen Unternehmensdurchschnitt (gesamt oder nach bestimmten Zielgruppen) können als Einordnungskriterium für mögliche Stärken- und Handlungsfelder dienen.
- Externer Benchmark (Normierungsstichprobe): Bei externen Benchmarks ist auf die Aussagekraft und die methodische Vergleichbarkeit zu achten. In der Praxis werden leider oft Vergleichswerte angeboten, die weder zeitlich aktuell noch strukturell vergleichbar sind.
- Anteil an positiven/negativen Antworten anhand vordefinierter Grenzwerte: Eine normative Definition (ohne direkte Benchmarking-Gruppe) kann ebenso zur Einordnung genutzt werden. Bspw. wenn die Mehrheit einer Abteilung ein Ergebnis mit >80% Zustimmung bewertet, könnte es als Stärkefeld gesehen werden.
- Beurteilung aus Expertensicht, bspw. aus Sicht der Arbeitspsychologie oder Arbeitsmedizin: Ein Ergebnis kann aus Expertensicht eine Handlungsimplikation in sich tragen, auch wenn diese für andere Betrachter wenig Ansatzpunkte bieten. Bspw. wenn Fachexperten erkennen, dass bestimmte Antworten mit bestimmten Arbeitsplatzbedingungen korrelieren, die nicht direkt in der Befragung abgefragt wurden (bspw. räumliche Aspekte mit Gebäudeteilen).
- Beurteilung anhand von Zeitvergleichen: Wurden schon früher Mitarbeiterbefragungen durchgeführt, kann der direkte Zeitvergleich zwischen Erst- und Folgebefragung Aussagen zu Trendbewertungen zulassen.
- Priorisierung des Themas im Fragebogen: Je nach Methodik des Fragebogens erleichtern auch Priorisierungsfragen im Fragebogen selbst eine Bewertung der Befragungsergebnisse, bspw.: „Wie wichtig ist Ihnen dieses Thema?“.
- Priorisierung durch multivariate Analysen: Eine vertiefende statistische Analyse der Befragungsergebnisse kann Bewertungserleichterungen bieten, in dem Zusammenhänge und Auswirkungen aufgezeigt werden, die bei einer rein deskriptiven Betrachtung unsichtbar bleiben.
- Priorisierung des Themas in Workshop-Settings: Eine Priorisierung kann direkt mit den Befragten in einem Workshop-Setting erfolgen. Die einfache Frage: „Welche Themen der Befragung sind Ihnen für die Entwicklung Ihrer Abteilung besonders wichtig?“ kann schon ausreichen, um eine derartige Gewichtung vorzunehmen.
- Häufigkeit der Nennung offener Kommentare: Besonders bei offenen Kommentaren kann auch die Häufigkeit einer Themennennung ein Kriterium sein, sich dieses Themas anzunehmen.
Setzen Sie auf Herz, Hirn und Hand
Welche dieser Zugänge für Sie die geeignetste Variante ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Entscheidung baut aber mit Sicherheit auf den folgenden Fragen auf:
- Was ist das eigentliche Ziel der Befragung, bzw. der daraus folgenden Schritte (definierte strategische Themen, Employer Branding, Aufzeigen von Defiziten nach dem ASchG)?
- Welche Vergleichsdaten stehen grundsätzlich zur Verfügung?
- Wieviel Ressourcen (v.a. Zeit) darf/soll in die Beurteilung der Ergebnisse fließen?
Die Vielfalt der Einordnungsmöglichkeiten ist groß und richtet sich neben dem eingesetzten Befragungsinstrument v.a. auch nach der Zielrichtung des Projektes selbst. Und da die Daten einer Mitarbeiterbefragung ein Wald sein können, in dem man teilweise die Bäume (=wichtigen Leitthemen) nicht mehr sieht, ist es wichtig einen fokussierenden, komplexitätsreduzierenden Blick einzunehmen. Setzen Sie auf Herz, Hirn und Hand:
- Hirn: Nutzen Sie interne und externe Experten. Beschäftigen Sie sich mit den Ergebnissen, dies braucht Aufmerksamkeit!
- Hand: Seien Sie pragmatisch und verlieren Sie sich nicht in den Daten. Was ist das derzeit Wichtigste?
- Herz: Interessieren Sie sich für die Themen. Fragen Sie nach. Beziehen Sie Betroffene mit ein! Ihr Interesse wird ansteckend sein.
Eine Mitarbeiterbefragung soll keine Kommunikation ersetzen, sondern Kommunikation auslösen!
Daher ist der Dialog zu den Ergebnissen mit den Befragten selbst der wesentliche Schritt im Initiieren von kooperativen Lernschleifen und kontinuierlicher Verbesserung. Die analytische Sicht soll hier v.a. einen zielgerichteten Impuls und Orientierung bieten.
Auch im EFQM Modell ist das Thema Mitarbeiter eines der neun Hauptkriterien - auch hier geht es u.a. darum, wie kommuniziere ich mit meinen Mitarbeitern, wie werden Mitarbeiterinnen belohnt, anerkannt und betreut. Mehr dazu in Kürze in einem weiteren Beitrag im Excellence Blog!
Zum Autor
Mag. Gerd Beidernikl ist Gründer und Geschäftsführer der vieconsult GmbH, einem auf die Durchführung von Mitarbeiterbefragungen und 360° Führungsfeedbacks spezialisierten Institutes in Wien. Seit mehr als 15 Jahren begleitet er Unternehmen dabei, Feedback aus der eigenen Belegschaft einzuholen und für die Unternehmensentwicklung nutzbar zu machen. Mag. Gerd Beidernikl ist Soziologe, systemischer Coach, Trainer, zertifizierter Managementberater und unerschütterlicher Optimist, dass jeder Arbeitgeber ein sehr guter Arbeitgeber werden kann.