18. Jan 2023

Die Umsetzung

Gütesiegel für soziale Unternehmen

In den letzten Blogs habe ich versucht darzustellen, was sich hinter dem Gütesiegel für soziale Unternehmen verbirgt. In diesem Blog sollen Beispiele gebracht werden, was das Gütesiegel in der Branche bewirkt hat. Es sind willkürliche zusammengestellte Beispiele für Good Practices, die bei den Assessments aufgefallen sind und vielleicht auch Anregungen für andere Organisation außerhalb dieser Branche geben könnten.

Förderstruktur kombinieren

Der Verein VAMOS ist ein großer regionaler Anbieter von Integrationsangeboten für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Er bietet eine Vielzahl von Dienstleistungen an, von der Landschaftspflege über die Backstube bis zum Postpartner. Die Beschäftigung und Ausbildung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen wird von einer Vielzahl von Fördergeber*innen mit einer ebenso großen Anzahl unterschiedlicher Förderbedingungen zum Teil finanziert. Aber für die Menschen, die dort die verschiedenen Dienstleistungen erbringen, ist die dahinterstehende Förderlogik nicht von Belang. Sie arbeiten in verschiedenen Bereichen, die fördertechnisch als Beschäftigungstherapie oder als Transitarbeitsplatz in einem gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt angesehen werden, gemeinsam die Aufträge ab und werden individuell nach der eigenen Leistungsfähigkeit gefördert und auch gefordert. Diese Durchmischung verschiedener Leistungslevel fördert die Motivation der Mitarbeiter*innen und ermöglicht interne Karrieren, z.B. von der Beschäftigungstherapie zur integrativen Lehrausbildung mit dem krönenden Abschluss und der Möglichkeit eines Arbeitsplatzes in einem „normalen“ Wirtschaftsbetrieb.

Win-win Lastenfahrrad

Die Dornbirner Jugendwerkstätten sind ein soziales Unternehmen für langzeitarbeitslose junge Menschen. Hier werden Jugendlichen und Wiedereinsteiger*innen zeitlich befristete Arbeitsplätze mit individuellen Bildungsmöglichkeiten, sozialarbeiterische Betreuung und Hilfe bei der Suche nach fixen Arbeitsstellen oder Ausbildungsmöglichkeiten angeboten.  Die Jugendwerkstätten werden wie ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen mit sozialen Dienstleistungen geführt. Neben den Förderungen vom AMS, dem Land Vorarlberg und der Stadt Dornbirn finanziert sich der Verein mit Erlösen aus verschiedenen Gewerken. Die Dienstleistungen umfassen unter anderen auch Landschaftspflege, wie die Betreuung von Grünflächen der Stadt Dornbirn. Dazu war es üblich, die jugendlichen Mitarbeiter*innen zum Abarbeiten der Aufträge zu den jeweiligen Arbeitsorten mit einem LKW zu fahren und nach Fertigstellung wieder abzuholen. Nun wurde dafür ein Elektro-Lastendreirad (Tuk Tuk) angeschafft, mit dem bis zu 250 kg transportiert werden können. Es gilt als Fahrrad und kann von jedem der Jugendlichen selbst nach einer kurzen Einschulung gefahren werden. Jetzt können sie selbständig die erforderlichen Gerätschaften aufladen und zum Einsatzort fahren. Bei den Interviews mit den Jugendlichen während des Assessments haben sie bestätigt, dass es ein „cooles“ Gefährt sei, nur leider etwas zu langsam (!) und es erfordert leider tägliches Aufladen. Das zu vergessen rächt sich. Hier ist es mit einfachen Mittel gelungen, die Umweltbilanz zu verbessern, die Dienstleistungen besser im öffentlichen Raum zu präsentieren und vor allem die Selbstständigkeit der Jugendlichen zu fördern.

Kreislaufwirtschaft

Natürlich ist auch die die Ausrichtung der Organisation auf Kreislaufwirtschaft eine der Anforderungen des Kriterienkatalogs für soziale Betriebe. Viele Organisationen sind im Textilrecycling tätig, wo sie durch den Wiederverkauf der gesammelten Textilien in eigenen Geschäften weiter genutzt werden und damit die erschreckend schlechte Umweltbilanz der Textilindustrie ein wenig aufgebessert wird.

Viel schwieriger ist es, Gedanken der Kreislaufwirtschaft bei den kommerziellen Kund*innen von sozialen Unternehmen einzubringen. Ein Beispiel dafür ist die LEO Lern und Entwicklungsstätte Oststeiermark GmbH, ein Beschäftigungsbetrieb im Eigentum der Gemeinden des ehemaligen Bezirks Fürstenfeld mit vielfältigen Dienstleistungen. Der Bogen spannt sich von Carla-Secondhand Läden bis zu einer nach EN 1090 zertifizierten Schlosserei. Einer der Hauptkunden ist eine regionale Bauglaserei, für die Glasgestelle gefertigt werden. Diese Glasgestelle werden auf den Baustellen nicht pfleglich behandelt und deshalb werden sie regelmäßig bei LEO nachbestellt und die beschädigten Gestelle verschrottet. Leo entwickelte die Idee, der Glasbaufirma ein Rundumservice anzubieten: Die Gestelle werden nicht immer neu gefertigt und verkauft, sondern laufend von LEO serviciert, bei Bedarf repariert und der (Wieder-)-Nutzung zugeführt. Damit könnten sie länger verwendet werden und der Ressourceneinsatz ließe sich verringern. Leider konnte die Glasbaufirma von der Idee nicht begeistert werden und der Kreislauf besteht weiterhin in der Produktion, manchmal nur einmalige Nutzung und „Entsorgung“. Aber die LEO GmbH hat schon wieder neue Ideen, z.B. das Recycling von Tennisbällen.

Ergebnisse

Passende Kennzahlen zu finden war in der Anfangszeit des Gütesiegels ein großes Problem. Bei den vom Arbeitsmarktservice geförderten Unternehmen hat sich dieses Problem mit der Zeit entschärft, zumindest für die meisten Unternehmen, deren prioritäre Interessengruppe die vom AMS zugewiesenen befristeten Beschäftigten ist. In einzelnen Bundesländer wurden z.B. zunehmend die Ergebnisse der standardisierten Befragungen der Transitarbeitskräfte über ihre Zufriedenheit während der Beschäftigung im sozialen Unternehmen an die Betriebe rückgemeldet und konnten so auch im Assessment dargestellt werden. Überdies werden auch – in unterschiedlicher Ausprägung und Zielsetzung – Rankings über andere Kenngrößen (z.B. Vermittlungen in Beschäftigung, etc.) vom AMS erstellt und den Betrieben präsentiert, die dann gleich als Benchmarks genutzt werden können.

MAG +Zufriedenheitsabfrage

Schwieriger gestaltete es sich, geeignete Kennzahlen zur Zufriedenheit der eigenen (fixen) Mitarbeiter*innen zu entwickeln, da bei den meist engen finanziellen Rahmenbedingungen der überwiegend kleinen Betrieben kein finanzieller Spielraum bestand, externe Firmen für entsprechende Befragungen zu beauftragen. In den Assessments wurde diese Problematik besprochen und öfters angeregt, eine Zufriedenheitsabfrage in das bereits flächendeckend etablierte jährliche Mitarbeiter*innengespräch zu integrieren und die Ergebnisse danach auszuwerten. Diese Anregung wurde vielerorts angenommen und umgesetzt.

Regionale Zusammenarbeit bei KZ

Eine weitere Entwicklung wurde durch das Gütesiegel auch auf der Ebene der Kennzahlen angestoßen: Die der regionalen Zusammenarbeit. Soziale Unternehmen setzen sich zusammen, es werden Kennzahlen ausgetauscht, Berechnungsmethoden vereinheitlicht und somit Zahlenmaterial generiert, das zu Vergleichen einlädt. So wird gemeinsam nicht nur der Standard in der Zahlenqualität verbessert, sondern es werden auch Kooperationen gefördert.

Zum Autor

Herr Mag. (FH) Michael Reiter ist Netzwerkpartner der Quality Austria und Produktexperte Gütesiegel Soziale Integrationsbetriebe.

  • HIER geht es zu Teil 1 der Serie: GSU Gütesiegel für Soziale Unternehmen - ein Branchenstandard auf Basis des EFQM Modells.
  • HIER geht es zu Teil 2 der Serie: Gütesiegel und EFQM
  • Hier lesen Sie mehr über die feierlicheVerleihung des GSU - Gütesiegels 2021 und 2022.
  • Weitere Informationen zum GSU - Gütesiegel finden Sie HIER.

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