02. Feb 2022

Ein Branchenstandard auf Basis des EFQM Modells

GSU-Gütesiegel für soziale Unternehmen

Was haben die Staatspreissiegerin 2021 Voest Alpine Stahlstiftung und der Kategoriesieger von 2018 im Bereich der Non Profit Unternehmen JobTransfair gemeinsam?

Beide haben ein ausgezeichnetes zukunftsorientiertes Managementsystem und sie sind Non Profit Unternehmen. Ihr Unternehmenszweck ist es, Menschen wieder zu einem nachhaltigen Arbeitsplatz zu verhelfen und sie sind seit Jahren Träger des Gütesiegels für soziale Unternehmen (GSU).

Das GSU wurde von Geschäftsführern sozialer Unternehmen unter dem Dach von arbeit plus Anfang der 00er-Jahre entwickelt. Arbeit plus ist ein, österreichweites Netzwerk von 200 gemeinnützigen Sozialen Unternehmen, die mit Beratung, Qualifizierung und Beschäftigung benachteiligte Menschen beim beruflichen (Wieder-)Einstieg unterstützen. Es sollte ein Standard für die Branche werden. Das GSU sollte sicherstellen, dass soziale, organisatorische und wirtschaftlicher Standards gelebt und stetig weiterentwickelt werden und damit die eingesetzten öffentlichen Gelder sinnvoll und zweckmäßig eingesetzt werden.

Die Entstehung des Gütesiegels

Zu Beginn des Vorhabens war überhaupt nicht klar, wie es diesen Ansprüchen gerecht werden und von welchen vergleichbaren Standards gelernt werden kann. Deshalb wurden viele verschiedene Branchenstandards, SROI (Social Return Of Investment) und andere überprüft und schließlich das EFQM Modell als anerkanntes zukunftsfähiges Modell ausgewählt. In mühevoller Detailarbeit wurden die Anforderungen der einzelnen Kriterien in die Realität von sozialen Unternehmen übersetzt und ein eigener spezifischer Kriterienkatalog geschaffen, der die Inhalte des EFQM-Modells widerspiegelt und damit die Kompatibilität sicherstellt. Zusätzlich wurde der soziale Betreuungsprozess als notwendiger, unabdingbarer Kernprozess eines sozialen Unternehmens zur Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt und damit in die Gesellschaft festgeschrieben. Er muss klar definiert und dessen Teilschritte müssen adäquat dokumentiert werden.

Nach Fertigstellung und erfolgreicher Testung des erarbeiteten Kriterienkatalogs wurde eine Kooperation mit der Quality Austria eingegangen, um die Zertifizierung nach dem neuen Standard von Beginn an professionell abwickeln zu können. Vereinbart wurde, dass arbeit plus für die inhaltliche Weiterentwicklung des Gütesiegels und Quality Austria für die operative Abwicklung der Assessments verantwortlich sind. Damit ist auch eine formale Kompatibilität sichergestellt und eine erfolgreiche GSU-Zertifizierung entspricht – je nach erreichter Punktewerte- einer EFQM-Auszeichnung „Committed to Exellence“ oder „Recognised for „Exellence“.

Die Mitglieder des Entwicklungsteams absolvierten anschließend die Ausbildung zum qualityaustria Assessor Unternehmensqualität (Excellence) und bilden gemeinsam mit erfahrenen Leadassessor*innen der Quality Austria gemeinsam das Assessmentteam. Seit 2009 werden so erfolgreich die Assessments abgewickelt und das Gütesiegel ist anerkannt und wird auch problemlos von öffentlichen Fördergeber*innen finanziert. Dieses Jahr wurde bereits zum 12. Mal die feierliche Verleihung des Gütesiegels für Soziale Unternehmen gefeiert.

Wer kann sich für das GSU bewerben

Teilnahmeberechtigt sind Unternehmen und Organisationen, deren vorrangiges Ziel die berufliche Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt ist und damit ihre gesellschaftliche Inklusion voranzutreiben. Dies kann zum Beispiel erfolgen durch die Schaffung von Beschäftigungsverhältnissen für am Arbeitsmarkt Benachteiligte mit angepasster fachlicher und sozialer Unterstützung, oder durch Beratung, Schulung und Begleitung von Menschen bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Neben dieser inhaltlichen Ausrichtung darf ihr Unternehmensziel nicht auf die Erzielung von Profit für die Eigentümer*innen ausgerichtet sein Die Organisationen betreiben aktives Gender Mainstreaming und Diversity Management und verpflichten sich, ausgewählte Ziele aus dem Katalog der UN Nachhaltigkeitsziele anzustreben.

Die Übersetzung des EFQM Modells

Wie kann man sich so eine „Übersetzung“ von Anforderungen des EFQM vorstellen? Hier gibt es einige Beispiele.

  • Aus dem EFQM Kriterium 1.2: „Eine hervorragende Organisation identifiziert Interessengruppen innerhalb ihres Ecosystems und priorisiert die ihr wichtigsten, also jene die Potenzial haben, die Erfüllung von Zweck, Vision und Strategie zu fördern oder zu erschweren“ wurde Kriterienkatalog 1.3.1 "Es liegt eine Analyse des Umfelds des Sozialen Unternehmens vor, aus der hervorgeht, welche Interessengruppen Zweck, Vision und Strategie in welchen Ausmaß beeinflussen, und wie sie selbst davon beeinflusst werden."
    Dazu kommen immer Leitfragen. In diesem Fall: Wie sieht ihr Umfeld aus? Wer sind ihre Interessengruppen? Welche Bedürfnisse und Erwartungen haben sie? Wie beeinflussen sie einander wechselseitig?
  • Aus dem EFQM Kriterium 4.3: „Eine hervorragende Organisation entwickelt effektive und effiziente Wertschöpfungsketten um ihren Zweck zu erfüllen und den versprochenen Nutzen zu schaffen“  wurde Kriterienkatalog 4.3.1 "Es gibt ein abgestimmtes Leistungsangebot." Mit den Leitfragen: Welche Angebote gibt es? Nach welchen Kriterien sind sie ausgerichtet? Mit wem werden sie abgestimmt?
  • Und natürlich auch der bereits erwähnte Kernprozess, Kriterienkatalog 5.2.1.und 5.2.2: "Der Kernprozess ist klar festgelegt und wird umgesetzt."  Leitfragen dazu sind: Wie haben sie den Kernprozess entwickelt? Welche Interessengruppen waren dabei eingebunden? Welche Nachweise gibt es für eine erfolgreiche Umsetzung? Prozess-Schritte (des Kernprozesses) sind dokumentiert und am individuellen Nutzen ausgerichtet. Was sind die wichtigsten Prozessschritte? Wie werden sie individualisiert und umgesetzt?

Anpassung an das EFQM Modell 2020

In all den Jahren kam arbeit plus seiner Verpflichtung nach und hat den Kriterienkatalog kontinuierlich weiterentwickelt. Zuletzt mit der Integration der Anforderungen des aktuellen EFQM Modells 2020 die der Natur von sozialen Unternehmen sehr entgegenkommen, da der Kernprozess eines Sozialen Unternehmens, die soziale Personalentwicklung, sehr leicht mit den UN-Nachhaltigkeitszielen in Verbindung gebracht werden kann. Überdies arbeiten viele SU`s im RE-Use Bereich, wo Nachhaltigkeit im Ökologischen Sinn gewissermaßen die Geschäftsgrundlage ist. Bei der Überarbeitung wurde darauf geachtet, die ursprüngliche Struktur weiterhin so weit wie möglich zu erhalten um den regelmäßigen „Usern“ des Kriterienkatalogs die Beschäftigung mit neuen Inhalten zu erleichtern. Diese Überarbeitung wurde gleich auch dazu genutzt, den Kriterienkatalog nicht nur in der Anzahl der Kriterien, sondern auch inhaltlich zu straffen und wesentliche (z.T. neue) Inhalte besser zu verknüpfen, zum Beispiel:

Die Notwendigkeiten

  • des permanenten Abgleichs der eigenen Vision und des tatsächlichen Tuns mit den Ideen, Bedürfnissen und Zielsetzungen der wesentlichen Interessengruppen
  • das eigene Profil zu schärfen und die eigene Nutzenstiftung im Kontext mit den Interessengruppen zu bewerten
  • und damit eine nachhaltige Entwicklung mit sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten anzustoßen

wurden in gewohnter Weise mit entsprechende Fragen im Kriterienkatalog „übersetzt“ und verdeutlicht.

  • Die Fragen zur Anforderung: „Das SU gestaltet einen durchgängigen stimmigen Gesamtauftritt, aus dem hervorgeht, wie und in welchen Schritten es Nutzen für seine Zielgruppen schafft“ lauten: Welchen Nutzen schaffen sie für wen? Welche sind die wichtigsten Abläufe, ihn zu erreichen? Wie vermitteln sie den Gesamtauftritt?
  • Bei der Anforderung „Das SU etabliert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den wichtigsten Interessengruppen“ wurden die folgenden Leitfragen formuliert: Wie wird mit den Interessengruppen zusammengearbeitet? Wie wird ein Vertrauensverhältnis mit den wichtigsten Interessengruppen hergestellt? Welche Beispiele gibt es für eine offene Zusammenarbeit im Sinne gemeinsamen Lernens und Entwickelns?

Damit ist sichergestellt, dass die die Auseinandersetzung mit dem neuen Kriterienkatalog viele Entwicklungen anstoßen kann, damit soziale Unternehmen für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet sind.

Charlotte Gruber, Ehren-Vorstandsmitglied von arbeit plus und langjährige Begleiterin des Gütesiegels für Soziale Unternehmen, ist in einem Interview mit arbeit plus auf die Neuauflage des Kriterienkatalogs auf die vom EFQM Modell 2020 ausgehenden Neuerungen Bezug genommen: „Ich finde es haben jetzt Dinge wie Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen oder gesellschaftliche Wirkungen, viel mehr an Bedeutung gewonnen. Ebenso die Interaktion mit den sogenannten Interessengruppen.

Der Kriterienkatalog ist stringenter und komprimierter geworden. Wirtschaftliche Aspekte sind zwar nach wie vor wichtig, aber sie überwiegen nicht mehr so stark. Vielmehr geht es um die Außenwirkung und den Beitrag, den ein Soziales Unternehmen für Nachhaltigkeit und ein solides Wachstum leistet – und das in Interaktion mit Interessengruppen, mit dem gesamten Umfeld eines Betriebes.

Der neue Kriterienkatalog zielt stärker auf unterschiedliche Ebenen ab und diesen noch ganzheitlicheren Blickwinkel finde ich gerade in Zeiten wie diesen wichtig und wertvoll.“

Zum Autor

Herr Mag. (FH) Michael Reiter ist Netzwerkpartner der Quality Austria und Produktexperte Gütesiegel Soziale Integrationsbetriebe.

Am 19. November 2021 wurde bereits zum 12. Mal das Gütesiegel für Soziale Unternehmen verliehen. HIER lesen Sie mehr über die feierlicheVerleihung des GSU - Gütesiegels.

Weitere Informationen zum GSU - Gütesiegel finden Sie HIER.

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