12. Aug 2020

Qualität und Management in Kultureinrichtungen - Teil 2

Kulturmanagement verändern?

Qualitätsmanagementsysteme der Privatwirtschaft orientieren sich oft an den Erwartungen der Kunden – und diese verlangen immer mehr auch nach gesellschaftlichen Bedürfnissen. Darum berücksichtigen ManagerInnen bei Ergebnissen ihrer Unternehmen immer öfter die diesbezüglichen Wahrnehmungen der Interessengruppen, bemühen sich um die Einhaltung von 17 SDG`s der Agenda 2030 oder sprechen von Ursache und gesellschaftlicher Wirkung bei der Definition von (Rahmen-)Zielen.

Wer sind die Kunden einer Kultureinrichtung?

Wer ist aber dieser Kunde bei einer Kultureinrichtung? Die BesucherInnen des Museums, des Theaters oder eines Konzerts? Die EigentümervertreterInnen, die den Großteil des Betriebs finanzieren? Die Partnerorganisationen, die inhaltlich wesentlichen Input geben? Die Sponsoren, ohne die der wirtschaftliche Eigenanteil nicht geleistet werden kann? … oder eigentlich genau dieselben Personen, an denen sich auch andere Unternehmen orientieren?

Kultureinrichtungen müssen alle berücksichtigen – aber nicht uneingeschränkt alle Erwartungen erfüllen. Als öffentliche Einrichtung ist alles in einem Museum oder Theater Eigentum der Gesellschaft. Nur die Mitglieder der Gesellschaft haben wenig Einflussmöglichkeiten auf ihr Eigentum. Ganz oben in der Einflusspyramide stehen die vom Volk gewählten Volksvertreter, die wiederum GeschäftsführerInnen und DirektorInnen in den Kultureinrichtungen einsetzen. Wäre es gut, in Zukunft ein stärker partizipatives Modell in den Kulturmanagementsystemen zu berücksichtigen? Dem Volk auch in dieser Frage eine Stimme, durch Kommunikationswerkzeuge eine direktere Einflussmöglichkeit zu geben – eine Möglichkeit, ihre Kultur zu machen?

Ein Beispiel aus der Schweiz, das Christian Felber in seinem Buch „Gemeinwohlökonomie“ unter dem Titel „Demokratische Allmenden“ beschreibt: Es geht dabei um öffentliches Eigentum – eine Definition, die auch auf alle Kultureinrichtungen zutrifft. Eine Allmende ist ein Gemeinschaftseigentum, das allen gehört. In den 1980er Jahren legten die Schweizerinnen und Schweizer im Zusammenhang mit einem ihnen sehr wichtigem Gemeinschaftseigentum ein Veto ein, als die Regierung den Plan verfolgte, die staatliche Eisenbahn „kaputtzusparen“. Die für den Straßenbau vorgesehenen Milliarden wurden von der Bevölkerung über eine erzwungene Volksabstimmung in den Ausbau der Eisenbahn umgelenkt. Heute besitzt die Schweiz die beste und beliebteste Bahn der Welt, ökologisch und nachhaltig – ein Erfolgsbeispiel.

Was sagt das EFQM Modell dazu?

Sollte ein Qualitätsmanagementsystem für die Kultureinrichtungen in Österreich ein derartiges Ziel aus der Gemeinwohlökonomie verfolgen? Was ist dazu im aktuellen EFQM-Modell 2020 formuliert?

Vorweg: über Gemeinwohlökonomie steht in diesem Modell nichts. Aber: „Jede Organisation, die das EFQM Modell nutzt, ergreift die Gelegenheit, um Vorbild in ihrem Einflussbereich zu werden, andere durch ihr Handeln zu inspirieren und zu zeigen, was man zum Wohle Aller und für sich selbst erreichen kann.“ Und im Abschnitt Ergebnisse, in dem es darum geht, was die Organisation in Bezug auf das in den beiden Abschnitten „Ausrichtung des Unternehmens“ und „Realisierung der Maßnahmen“ Beschriebene erreicht hat, gibt es ein Kriterium das „Wahrnehmung der Interessengruppen“ heißt.

Aber das tun doch die großen Museen – steht sogar im Leitbild eines Bundesmuseums: „Wir orientieren uns in unserer Arbeit an den Erwartungen und Bedürfnissen unserer BesucherInnen, deren persönlichen Erlebnis und die sinnlich-intellektuelle Erfahrung von Kunst.“ Vielleicht sind wir in den Museen gar nicht so weit entfernt von Qualitätsmanagement, das die Erwartungen und Bedürfnisse der Kunden (der BesucherInnen) als zentrales Ziel verfolgt? Welches System verfolgen wir aber in den Museen – außer der Besuchssteigerung?

Das EFQM Modell sieht eine Erfolgskomponente für ein Unternehmen darin, durch das eigene Tun und Handeln ein positives Ergebnis für die Gesellschaft zu erzielen. Das aktuelle Modell 2020 beschreibt weiters, dass „Interessengruppen in die Realisierung der Ziele des Unternehmens einzubinden sind.“ Eine der fünf üblicherweise für die Erreichung von Zweck, Vision und Strategie wichtigen Interessengruppen ist die Gesellschaft, zu dessen Entwicklung, Wohlergehen und Wohlstand beizutragen ist.

Es lassen sich also in einem sehr modernen ganzheitlichen Qualitätsmanagementsystem durchaus Ansätze finden, welche auch beispielsweise eine Gemeinwohlökonomie vertreten und die auch Museen und Theater in ihren Strategien und den daraus resultierenden gesellschaftlich wirkenden Zielen durchaus verfolgen könnten. Wenn wir alle heute eine andere Welt nach der Corona-Krise sehen wollen, haben wir dann auch den Mut in der Kultur, diese andere Welt aktiv von der alten Welt in diese neue Welt zu verändern.

Zum Autor

Porträt Wolfgang TobischMag. FH Wolfgang Tobisch AE bezeichnet sich als generalistischer Kulturmanager. Er war u.a. verantwortlich für erfolgreiche Ausstellungsprojekte, entwickelte neue Vermittlungsformate und war rund 10 Jahre kaufmännischer Leiter des Technischen Museums Wien. Nach über 30 Jahren Arbeit im Kulturbereich und nach einer langen Auseinandersetzung mit Qualitätsmanagement setzt er sich für eine Diskussion von Kulturarbeit – speziell Museumsarbeit – und Qualität(-smanagement) ein. Mehr dazu gibt es auch in seinem LinkedIn Profil.

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