11. Mai 2022

Feedback von Interessengruppen ernst- und wahrnehmen

Blinde Flecken vermeiden – gut entscheiden

Einsame Richtungsentscheidungen sind wie ein Roulette-Spiel: Sie können zum Erfolg führen, aber auch ein veritabler Flop werden. Das Risiko einer falsch getroffenen Entscheidung aufgrund einseitiger Herangehensweise lässt sich durch die intelligente Einbindung von Betroffenen vermindern, indem umfassend unterschiedliche Blickwinkel erhoben werden. Das Kriterium 6 des derzeit aktuellen EFQM Modells fokussiert auf jene Ergebnisse, die auf Rückmeldungen wichtiger Interessengruppen beruhen und damit deren persönliche Wahrnehmung der Organisation beschreiben. Diese Bewertung sollte in Veränderungsprozesse einfließen und trägt dazu bei, die Unternehmensqualität abzusichern bzw. positiv zu gestalten.

Wichtige Interessengruppen

Laut EFQM Modell sind dies Kund*innen, Mitarbeitende, Eigentümer*innen, Aufsichtsbehörden, Gesellschaft, Partner*innen und Lieferant*innen. Bei B2B-Kund*innen sind die richtigen Ansprechpartner*innen zu identifizieren, die ihre Meinung abgeben sollen. Nicht zu vergessen sind interne Dienstleistung-Bereiche, die vorwiegend Kolleginnen und Kollegen des eigenen Unternehmens servicieren, wie z.B. IT, HR, Einkauf und viele andere. Je nach Branche ist Feedback durch spezifische Interessengruppen wertvoll, wie z.B. Angehörige von Bewohner*innen eines Pflegeheims.

Wie werden Wahrnehmungen klassisch ermittelt?

Die Wahrnehmungen werden meist durch Feedback-Einholung ermittelt, wie z.B. "Wie zufrieden sind Sie mit...?" und zielen auf vergangene, individuelle Erfahrungen. Klassisch etabliert sind regelmäßig durchgeführte Befragungen. Diese können aus validierten, fixen Fragebatterien bestehen oder aus individuell maßgeschneiderten Formulierungen. Sie können puncto Umfang und Frequenz sehr unterschiedlich sein. In der digitalisierten Welt sind Online-Fragebögen mittlerweile Standard, teilweise werden nach wie vor Papierfragebögen eingesetzt. Empfehlenswert und als besonders praxistauglich erweisen sich positive Formulierungen und eine gerade Skala (z.B. 6er-Skala), sodass der mittlere Skalenpunkt nicht als „Fluchtkategorie“ verwendet werden kann. Interviews (telefonisch, persönlich) und Fokusgruppen können den Feedback-Prozess mit wertvollen Erkenntnissen anreichern.

Ebenso bedeutend ist die Ermittlung der Wichtigkeit der abgefragten Aspekte für die bewertende Person. Denn so ist die Relevanz der Ergebnisaussagen klar und transparent nachvollziehbar und führt zu größerer Akzeptanz, um mit den Ergebnissen tatsächlich zu arbeiten. Durch das Ankreuzen der wichtigsten Aspekte im Fragebogen kann auch bei kleinen Gruppen die Relevanz ermittelt werden, da hier statistische Verfahren versagen würden.

Wie werden Befragungen von Interessengruppen zukunftsfit?

Durch „klassisch“ formulierte Fragebögen erhält man quasi ein "Zeugnis" für vergangenes Handeln und eine Antwort zur individuellen Befindlichkeit. Wie erfährt man nun etwas zu Erwartungshaltungen der Interessengruppen für zukünftiges Handeln? Und wie kann man ihre Einschätzungen zu ausgewählten erfolgskritischen Entwicklungen für die Zukunft einbeziehen?

Vom ICH zum WIR:

  1. Durch adaptierte Formulierungen im Fragebogen ändert sich das Mindset: Statt "Ich bin zufrieden mit..." sinngemäß "Wir haben gute...". Das "WIR" bzw. "BEI UNS" muss natürlich definiert sein. Empfohlen wird, den Standort des Unternehmens als "WIR" zu definieren. Dies kann aber in besonderen Fällen anders definiert werden.
    Beispiel: "Ich bin mit meinen Weiterentwicklungsmöglichkeiten sehr zufrieden." versus "Bei uns gibt es hervorragende Weiterentwicklungsmöglichkeiten.
  2. Die Wichtigkeit bezieht sich nicht auf die persönlichen Präferenzen, sondern auf zukünftige Relevanz für den Unternehmenserfolg. Statt "Ankreuzen, was mir besonders wichtig ist" zu "Ankreuzen, was für den zukünftigen, gemeinsamen Unternehmenserfolg besonders wichtig ist".

Der Blickwinkel ändert sich mit dieser Art von Formulierungen vom Einzelnen zur Gesamtheit, von der Vergangenheit zur Zukunft.

Auswirkung auf verschiedene Interessengruppen

Mitarbeitende

Die Leistungsträger jedes Unternehmens sind Menschen. Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende ohne Führungsfunktion erleben im Arbeitsprozess ständig Abweichungen zwischen persönlicher Erwartungshaltung und tatsächlich erlebter Wahrnehmung. Da Menschen unterschiedlich ticken, gibt es eine Vielzahl von Anspruch-Niveaus und Erfüllungs-Niveaus. Aus dem „polyphonen Meinungsgewirr“ gilt es, durch kluge Methodik ein möglichst objektives Bild über die Gesamt-Gruppeneinschätzung zu gewinnen.

Wird durch entsprechende interne Kommunikation und Formulierung von Fragebögen der Fokus auf "Zukunftsgestaltung" gelegt, gewinnen Sie sowohl in Strategie- als auch in Change-Prozessen wertvolle Einschätzungen des wertvollen Expertenwissens Ihrer Mitarbeitenden.

Kund*innen und Partner*innen

Solange Ihre Kund*innen kaufen, ist alles in Ordnung? Märkte und Umfeldbedingungen wandeln sich dramatisch und mit großer Geschwindigkeit. Daher macht es Sinn, auch Kund*innen und Partner*innen laufend nach ihren Erwartungshaltungen für die Zukunft zu befragen.

Anders als bei Ihren Mitarbeitenden kann hier je nach Intensität der Beziehung differenziert werden:

  • A-Kund*innen sind häufig sehr offen für persönliche Interviews und fühlen sich wertgeschätzt, wenn sie persönlich nach ihrer Zukunftseinschätzung gefragt werden.
  • Kund*innen, mit denen kein so intensiver Kontakt besteht, können mit Online-Befragungen oder wertschätzend geführten Telefoninterviews zu Feedback für die Zukunftsgestaltung eingeladen werden. Auch Fokusgruppen können eine taugliche Methode sein.

Alle anderen Interessengruppen

Mit dem gleichen Mindset können auch alle anderen Interessengruppen zu ihrer Zukunftseinschätzung befragt werden. Fokus ist immer "Was muss unser Unternehmen Ihrer Meinung nach tun, damit es zukünftig erfolgreich ist?"

Mit diesen Adaptionen klassischer Umfragen gelingt es, den Blickwinkel der Interessensgruppen auf die Zukunftsgestaltung zu richten.

„Blinde Flecken“ einer Einzelentscheidung werden durch das Zusammenführen unterschiedlicher Erwartungen reduziert. Die Wahrscheinlichkeit für gute Entscheidungen steigt. Und gleichzeitig wird Wertschätzung gegenüber relevanten Interessensgruppen durch die Einbindung in die Zukunftsgestaltung ausgedrückt.

Zum Autor

Mag. Mario Filoxenidis ist seit 20 Jahren Unternehmensberater und seit 8 Jahren Geschäftsführer von EUCUSA. Nach dem Motto „wirksam fragen – wertvoll handeln“ gestaltet er mit seinem Team maßgeschneiderte Feedback-Systeme mit fundierter Ergebnisaufbereitung. Das Beratungsunternehmen mit Sitz in Wien hat sich seit 1998 auf die Durchführung strategischer Mitarbeitenden- und Kund*innenbefragungen sowie die Begleitung der Folgeprozesse spezialisiert.

www.eucusa.com

Befragungen der relevanten Interessengruppen werden auch im EFQM Modell gefordert - siehe Kriterium 6 Wahrnehmungen der Interessengruppen.

HIER kann man sich die aktuelle Version des EFQM Modells downloaden.

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